Geographisch
wie politisch eingezwängt zwischen Ukraine und Rumänien, zwischen
Russland und der Europäischen Union, befindet sich der kleine Staat
in Südosteuropa immer noch auf der Suche nach der eigenen Identität.
Obwohl
oder gerade weil spektakuläre Sehenswürdigkeiten fehlen, ist
Moldawien prädestiniert für individuelles Reisen. Die Herzlichkeit
der Menschen, ihre Aufgeschlossenheit und besonders auf dem Lande
echte Gastfreundschaft sind ein ebenso großes Kulturgut wie
steinerne Zeugen.
Nach
Ankunft auf dem Flughafen von Chisinau fahren wir auf gut ausgebauter
Schnellstraße in die Hauptstadt der ehemaligen Sowjetrepublik. Unser
Weg wird gesäumt von einer Mischung aus kleinen ländlich wirkenden
Häusern, durchmischt mit Plattenbauten aus der sozialistischen Zeit
und immer mehr hochmoderner Architektur. Der zunächst chaotisch
wirkende Verkehr lässt dennoch eine gewisse Ordnung erkennen ohne
das sonst in südlichen Ländern übliche Hupkonzert. Irritierend
sind aber zunächst die pausenlos aufflackernden Radarblitze. Da es
so viele Temposünder eigentlich nicht geben kann, lassen wir uns von
unserem Fahrer aufklären: grundsätzlich werde jeder Autofahrer
geblitzt. Danach wird mühsam herausgefiltert wer tatsächlich die
Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten hat - auch eine Methode.
Pulsierende
Hauptstadt
Wir
steigen im zentral gelegenen Hotel Cosmos ab, ein Hochhaus im
Sowjetstil, inzwischen renoviert und gut geführt. Ein erster
Rundgang durch Chisinau führt uns zunächst zum Bahnhof, einem
prunkvollen Gebäude vom Ende des 19. Jahrhunderts, innen und außen
wie geschleckt. Auf dem Gelände herrscht allerdings gähnende Leere.
Mehr Betrieb gibt es nur, wenn die Fernzüge aus Moskau,
St.Petersburg, Bukarest oder Warschau ankommen bzw. abfahren. Die
Moskauer Züge werden vor allem von Moldawiern genutzt, die in
Russland ihr Geld verdienen. Jeder vierte der ca. 4 Millionen
Einwohner arbeitet außerhalb des Landes, neben Russland auch in
westlichen EU-Staaten, wo es z.B. in Italien wegen der romanischen
Herkunft des Rumänischen ( Staatssprache Moldawiens ) weniger
Verständigungsschwierigkeiten gibt. Moldawier erhalten außerdem
leicht einen rumänischen Pass und damit Zugang zum EU-Arbeitsmarkt.
Vor
dem Bahnhofsplatz kontrastiert das Denkmal für die Opfer des
Kommunismus mit dem Armenbasar; hier verscherbeln ältere Babuschkas
ihre wenigen Habseligkeiten und sehen sich eher als Opfer der
Demokratie. Auf dem großen Basar nahe der Altstadt fühlt man sich
fast schon wie im Orient, wenn auch ohne die lästigen
Aufdringlichkeiten. Jede Verkäuferin wartet geduldig auf Kunden. Das
reiche Angebot an Lebensmitteln zeigt die lange Tradition des
überwiegend von der Landwirtschaft bestimmten Landes. Wir nehmen den
Trolleybus und fahren für 2 Lei (ca. 11 cent) ein Stück auf der
Hauptverkehrsachse Boulevard Stefan cel Mare (… der Große). Zu
beiden Seiten liegen die wichtigsten Gebäude der Stadt, wie
historisches Rathaus, Orgelsaal, Nationaltheater, Regierungspalast,
Oper, orthodoxe Kathedrale und der unvermeidliche Triumphbogen; er
erinnert an den Sieg des Zaren über das Osmanische Reich 1812 und
die damit verbundene Angliederung Bessarabiens an Russland. Viel Grün
längs der Straßen und mehrere Parks lockern das Stadtbild auf und
laden zum Flanieren ein. In einem dieser Parks erhebt sich das
Standbild Stefans des Großen und Heiligen, des gemeinsamen
Nationalhelden Moldawiens und Rumäniens aus den Zeiten des
Fürstentums Moldau (gegr.im 14.Jh.), der Keimzelle beider Länder.
In einer Seitenstraße erleben wir zum ersten Mal die
Gastfreundschaft auch der Hauptstädter. Wir werden spontan zu einer
Weinprobe mit reichhaltiger Verkostung von Spezialitäten des Hauses
eingeladen. Der armenische Besitzer erzählt ausgiebig über sein
Geschäft, sein Leben und die Umstände seiner Anwesenheit in
Chisinau.
Der
weitläufige jüdische Friedhof am Rande der Stadt lässt erahnen,
welch große Rolle die israelitische Glaubensgemeinschaft einst in
Moldawien bzw. Bessarabien spielte. Noch um 1900 waren 45% der
Einwohner Chisinaus Juden. In einer der beiden übriggebliebenen
Synagogen (von einst über 70) gibt uns der Rabbi bereitwillig
Auskunft über das Schicksal seiner Gemeinde. Vom ehemals blühenden
jüdischen Leben sei leider nicht mehr viel übriggeblieben. Nach
Pogromen Anfang des 20.Jahrhunderts und den schrecklichen Ereignissen
während des Zweiten Weltkrieges wird die Zahl der Gläubigen nur
noch mit unter 5000 angegeben.
Bald Weltkulturerbe
Am nächsten Tag fahren
wir zum historisch-archäologischen Komplex von Orheiul Vechi ( 70 km
nordöstlich von Chisinau ), der vor allem von Einheimischen
meistbesuchte Ort Moldawiens. Ausländische Gäste sind in einem Land
praktisch ohne Tourismus eher selten. Orheiul Vechi präsentiert sich
als faszinierende Komposition von Natur, Kultur und Geschichte mit
Spuren von der Steinzeit bis in die Gegenwart.2007 wurde ein Antrag
auf Übernahme als Weltkulturerbe gestellt. Anlaufpunkt sind die
beiden Dörfer Trebujeni und Butujeni am hier extrem mäandrierenden
Fluss Raut. In den steilen Kalksteinhängen verstecken sich ein
Höhlenkloster sowie Zellen von Einsiedlermönchen, die schon lange
verwaist sind. Im Kloster selbst fristet ein einziger Mönch sein
karges Leben. Durch einen Tunnel gelangt man zur 150m hohen
Abbruchkante über dem Tal mit atemberaubendem Blick auf die
Flussschlingen des Raut. Anschließend geht es zu Fuß auf steilem
Grat hinüber nach Trebujeni, wo schon ein typisch moldawisches Essen
bei einer Bauernfamilie auf uns wartet. Alles, was die regionale
Küche hergibt steht auf dem Tisch.
Moldawiens
Landschaft ist gekennzeichnet durch leichtwelliges Hügelland, im
Süden eher steppenhaft, im Norden und Westen mit mehr Grün, großen
Wäldern und ausgedehnten Weinfeldern. Auf den schon aus der Ukraine
bekannten fruchtbaren Schwarzerdeböden gedeihen Mais, Weizen und
Sonnenblumen. Nach der Privatisierung im Zuge der Unabhängigkeit
liegen jedoch viele Flächen brach, versteppen zusehends und werden
allenfalls noch als Rinderweide genutzt. Einzigartig für Moldawien
sind die endlosen Walnussalleen, die sich durchs ganze Land ziehen.
Sie finden ihren Niederschlag auf den Märkten, wo frische Walnüsse,
Walnusshonig und Walnussöl angeboten werden. Inzwischen sind auch
deutsche Firmen in den lukrativen moldawischen Walnussmarkt
eingestiegen.
Geschichte
begegnet uns wieder auf der Fahrt in den äußersten Norden, in das
Städtchen Soroca. Die dortige Festung des Fürstentums Moldau wurde
hier an den Ufern des Flusses Dnjestr als Bollwerk des christlichen
Abendlandes gegen den Ansturm der Tataren im 16.Jahrhundert
errichtet. Unser Führer vor Ort mahnt nicht ohne Stolz Dankbarkeit
dafür an, dass seine Vorfahren Europa damals gegen die
heranrückenden Horden aus Asien erfolgreich verteidigt haben.
Die
Verständigung auf dieser Reise erfolgt mittels eines Dolmetschers
ausschließlich auf Russisch, das von 99% der Moldawier gesprochen
wird. Bis 1990 war Russisch Amtssprache, heute ist es Rumänisch bzw.
Moldawisch. Ein Aufenthalt in Soroca wäre unvollständig ohne einen
Besuch des weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten
Zigeunerviertels der Stadt (ich verwende hier ausdrücklich die
Eigenbezeichnung der Bewohner ). Es ist fast so etwas wie die
heimliche Hauptstadt dieser Volksgruppe. Die riesigen Paläste auf
einem Hügel hoch über dem Dnjestr sind an Skurrilität nicht mehr
zu überbieten. Nachbauten des Kapitols in Washington, Anklänge an
römische Tempel oder Prachtbauten aus der Zarenzeit, alles ist hier
vertreten, wenngleich meist nur als Fassade (Potemkin lässt grüßen
). Häufig wohnt die Familie in einem einzigen Raum. Weitergebaut
wird erst, wenn der Baron wieder genügend Geld durch „ Business“
( O-Ton einer Bewohnerin ) verdient hat.
Autonome Republik Gagausien
Hos
Geldiniz! ( herzlich Willkommen auf Türkisch ). Wir passieren soeben
die Grenze zu der im Südosten Moldawiens gelegenen autonomen
Teilrepublik Gagausien (sprich Gaga-usien ). Auf nur 1832 qkm Fläche
(3-fache Größe des Kreises Esslingen) mit 162000 Einwohnern hat
sich hier ein kleines Turkvolk nach dem Ende der Sowjetunion auf
friedlichem Wege ein hohes Maß an Eigenständigkeit erkämpft. Seit
1994 besitzt Gagausien seine eigene Regierung, Sprache (neben
Russisch und Rumänisch), Flagge und Hymne. Aus ihrer prorussischen
Haltung machen die Gagausen keinen Hehl, was infolge der Ukrainekrise
heuer zu Spannungen mit der Zentralregierung in Chisinau führte. Die
große Leninstatue vor dem Regierungsgebäude in der Hauptstadt
Comrat (26000 E ) ist wohl als Drohgebärde gedacht. Im Kontrast dazu
steht die imposante orthodoxe Kathedrale. Die Gagausen sind nämlich
das einzige Turkvolk christlichen Glaubens. Ein Hemmschuh für die
Entwicklung des Ministaates ist neben der weitgehenden Ausrichtung
auf die Landwirtschaft das zersplitterte Territorium. Ein größerer
Teil gruppiert sich um die Hauptstadt, drei weitere kleinere
Landstriche bilden mit 26 Dörfern einen regelrechten Flickenteppich.
Jedes Dorf durfte darüber abstimmen, ob es zu Gagausien gehören
möchte. Überdimensionierte Plakate und Lautsprecherwagen der
verschiedenen Parteien kündigen schon die mit Spannung erwarteten
Parlamentswahlen an. Die prorussischen Kräfte werden als Sieger
prognostiziert. Ein Besuch des Basars darf auch in Comrat nicht
fehlen ebenso wie eine Stippvisite in der aus Sowjetzeiten allseits
bekannten
Poliklinik. 20 Km weiter südlich steht im beschaulichen Angerdorf
Besalma Gagausiens
Museum
für Geschichte und Ethnographie. Es bietet einen tiefen Einblick in
Vergangenheit und Gegenwart des kleinen, aber umso stolzeren Volkes.
Auf dem Spaziergang durchs Dorf grüßt uns schon von weitem die auf
einem Hügel stehende letzte Windmühle von Besalma. Überrascht
erfahren wir, dass sie von deutschen Bessarabiensiedlern gebaut
wurde. Kaum oben angekommen lädt uns ein Bauer gestenreich zu sich
nach Hause ein. Er besteht darauf, nicht eher wieder zu gehen, bis
wir ausgiebig seinen neuen Wein gekostet haben. Obwohl wir vom
Mittagessen schon satt waren, bringt uns die Bauersfrau noch einen
Berg gagausischer Pfannkuchen. Eine Schnapsrunde lässt uns auch
diese schwere Aufgabe bewältigen. Mit Hilfe unseres Dolmetschers
entspinnt sich eine leidenschaftliche Diskussion über die aktuelle
politische Lage. Bauer Ilia schimpft auf die neue Regierung. Seit der
Wende habe er für seine Produkte keine Abnahmegarantie mehr, er lobt
die alte Zeit in höchsten Tönen und schwört auf eine Zollunion mit
Russland. Seine Entscheidung bei den Wahlen dürfte damit klar sein.
Zusätzliche Probleme ergeben sich aus der Weigerung der Ukraine, den
Transit für Waren zu erlauben. Arbeitsplätze auf dem Land gibt es
nicht. Deshalb hat er seine Kinder nach Moskau geschickt. Er selbst
lebt mit seiner Frau mehr schlecht als recht als Selbstversorger auf
seiner Scholle. Fahrer Tabor hupt wegen der hereinbrechenden
Dunkelheit zum Aufbruch. Wir singen noch ein deutsches Trinklied und
mit einem Beutel voll süßer Trauben geht es
zurück nach
Chisinau.
Im Guinessbuch
der Rekorde
Dass
auch Moldawien seit 2007 einen Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde
vorzuweisen hat, liegt am Staatsweingut Milestii Mici unweit der
Hauptstadt. Hier befindet sich die größte Weinkellerei der Welt mit
250 km langem Stollensystem, wovon zur Zeit 120 km genutzt werden.
Eigentlich kann es gar nicht anders sein, betrachtet man die Umrisse
des Landes - eine schön gewachsene Weintraube. Besonders wertvoll
ist die Raritätensammlung. Flaschenpreise bis zu 3000 Dollar sind
keine Seltenheit. Hauptsächlich Japaner und neuerdings Chinesen
kaufen sich ein. Sie lagern hier ihren Schatz als Geldanlage. Im
zweiten Staatsweingut Cricova hat sogar Angela Merkel 250 Flaschen
gebunkert. Um auch nur annähernd eine Vorstellung von der Größe
der Kellerei zu bekommen, ist es erlaubt, mit Führung im eigenen Pkw
einen Teil der Stollen zu befahren. Natürlich darf eine Verkostung
der edlen Tropfen in eigens dafür eingerichteten Degustiersälen 60
m unter Tage nicht fehlen. An den Wänden zeugen Photos von
prominenten Gästen, wie z.B. Jimmy Carter oder Michel Platini.
Damals
in Ketrossy
Auf
Spurensuche der Bessarabiendeutschen begeben wir uns bei einem Besuch
des Staßendorfes Chetrosu/russ. Ketrossy , 18 km südöstlich von
Chisinau an der alten Straße über Tiraspol nach Odessa am Schwarzen
Meer. Nach der Eroberung Bessarabiens durch Russland 1812 holte Zar
Alexander I. deutsche Kolonisten ins Land. Zwar leben hier auf Grund
des Hitler-Stalin-Paktes seit 1940 keine Deutschen mehr, die alte
Bausubstanz ist aber noch gut erhalten. Im Gegensatz zu den eher
kleinen moldawischen Häuschen erkennt man den deutschen Baustil,
lange einstöckige Gebäude mit der Giebelseite zur Straße und
anschließendem Nutzland. Warum ausgerechnet Ketrossy? Hier wurde
kurz vor der Aussiedlung der Deutschen Bruno Necker geboren, der nach
dem Zweiten Weltkrieg in unserem Wohnort Neckartenzlingen ein
Unternehmen aufgebaut hat, ganz in der Tradition seines umtriebigen
Großvaters Andreas Necker, dem Gründer von Ketrossy. Durch
wiederkehrende Besuche hält sein Enkel die Beziehungen zur alten
Heimat aufrecht. Im Rathaus des Ortes werden wir freundlich
empfangen. Die Sekretärin des Bürgermeisters gibt uns bereitwillig
Auskunft über die jüngere Geschichte des Dorfes, das die heutigen
Bewohner immer noch Deutsch-Ketrossy nennen. Das Staatsgebiet
Moldawiens umfasst etwa 70% des historischen Bessarabien. Der
südliche Teil gehört zur Ukraine und nur über einen 600 Meter
langen Abschnitt an der Donau mit dem Hafen Giurgiulesti hat das Land
einen indirekten Zugang zum Schwarzen Meer.
Land
hinter dem Dnjestr
Hochpolitisch
wird es wieder bei einem Ausflug in ein Land, das es offiziell gar
nicht gibt: Transnistrien (hinter dem Fluss Dnjestr). Nach blutigen
Kampfhandlungen erklärte sich dieser Teil Moldawiens mit überwiegend
russischer Bevölkerung 1992 für unabhängig. Auf einem schmalen
Streifen von 4000 qkm leben 550000 Menschen. Bis heute wird das
Gebilde, das sich selbst Pridnestrowien nennt (Land vor dem Dnjestr),
von keinem Staat, nicht einmal von Russland anerkannt. Gleichwohl hat
die Regierung in der Hauptstadt Tiraspol staatliche Strukturen
entwickelt, mit Parlament, eigener Flagge, Hymne, eigenen Briefmarken
und Banknoten. 5000 Mann eigene Streitkräfte, abgesichert durch
Teile der 14. Russischen Armee, garantieren als sogenannte
Friedenstruppe den Status Quo. Moskau hat somit ein Druckmittel in
der Hand gegenüber einer zu starken Annäherung Moldawiens an die
EU. Im übrigen gehörte Transnistrien nie zu Bessarabien bzw.
Rumänien, sondern ist eine Schöpfung Stalins. Wir reisen über
Bender ein, der einzigen Stadt des Pseudostaates diesseits des
Dnjestr. An der von russischen Panzern bewachten Grenze bekommen wir
einen Migrantenschein in den Pass eingelegt, der es erlaubt, sich
ohne weitere Formalitäten bis zu 10 Stunden im Land aufzuhalten.
Kurz vor der Stadt thront über dem Fluss die mächtige Festung.
Anfang des 16. Jahrhunderts erbaut, erhielt die Burganlage ihr
heutiges Aussehen nach der Eroberung durch das Osmanische Reich unter
Süleyman dem Prächtigen. In Bender selbst erinnern zahlreiche
Heldendenkmäler an die verschiedenen Kriege der letzten 150 Jahre.
Nach Überqueren der Dnjestrbrücke geht es in kurzer Fahrt in die
Hauptstadt. Nach außen hin scheint in Tiraspol die Sowjetunion
weiterzuleben mit Leninstatuen, Hammer und Sichel und
Regierungsbauten im Stil des sozialistischen Realismus. Bei näherer
Betrachtung entpuppt sich Transnistrien als das Herrschaftsgebiet des
allgegenwärtigen Sheriff-Konzerns. Zwei Brüder, ehemalige
Polizisten, haben seit 1991 ein riesiges Wirtschaftsimperium
aufgebaut. Dazu gehören eine Wohnbaugesellschaft, Tankstellen,
Großbäckereien, Supermärkte, die berühmte Schnapsfabrik Kvint,
Mobilfunk- und Internetbetreiber, eine Mercedesfiliale, der einzige
private TV-Sender und nicht zuletzt der renommierte Fußballklub FC
Sheriff Tiraspol, der mit einigen UEFA-Cupteilnahmen schon
internationale Erfahrung gesammelt hat. Im supermodernen
Sheriff-Stadion trägt pikanterweise die moldawische
Nationalmannschaft ihre Länderspiele aus. Um auch den Segen von oben
zu bekommen, stifteten die Sheriff-Brüder die nagelneue orthodoxe
Kathedrale. Kurz vor Ablauf unseres Tagesvisums tauschen wir die
restlichen transnistrischen Rubel wieder in moldawische Lei um und
begeben uns auf die Rückfahrt nach Chisinau.
Renaissance
der Religion
Der
letzte Tag einer spannenden Reise durch Moldawien steht noch einmal
ganz im Zeichen von Religion und Klosterleben. In Richtung
rumänischer Grenze liegt abseits der Hauptstraße das Kloster
Capriana. Um die älteste Kirche des Landes aus den Anfängen des 15.
Jahrhunderts entstand im Laufe der Zeit eine weitläufige
Klosteranlage. Da wir unerlaubterweise einen Blick hinter die
Ikonostase gewagt haben, verweigert uns der Pope die zugesagte
Führung. Unser Fahrer springt ein und weist uns auf eine
Besonderheit hin, nämlich die unterschiedliche Form der beiden
Kirchtürme, der eine eckig/rumänisch, der andere rund/russisch,
gleichsam als Versinnbildlichung der zerrissenen Landesgeschichte.
Umso freundlicher gestaltet sich anschließend der Empfang in dem in
einem riesigen Waldgebiet versteckten Nonnenkloster Hincu nahe am
Fluss Pruth, der auf weite Strecken die Grenze zum Nachbarland
Rumänien markiert. Nach seiner Gründung 1678 musste Hincu mehrmals
Tatarenüberfälle erdulden und wurde erst 1784 wiederbelebt.
Nochmals eine schwere Zeit waren die kommunistischen Jahre 1944 bis
1991.Wie so viele Kirchen und Klöster wurde auch Hincu
zweckentfremdet und diente jahrzehntelang als Sanatorium für
Tuberkulosekranke. Nach Rückübertragung in den Kirchenbesitz setzte
eine rege Bau- und Renovierungsphase ein, die noch nicht
abgeschlossen ist. Sichtbarstes Zeichen dafür ist der Neubau der
überdimensionierten Kathedrale. Wir dürfen noch eine orthodoxe
Hochzeit mitfeiern und zum Abschluss gewährt uns die Äbtissin in
fließendem Französisch eine umfassende Führung durch den
Klosterkomplex.
Mit
neuen, so nicht erwarteten Eindrücken verlassen wir dieses
sympathische Land am Rande Europas nach dem Motto: sei weise, reise
(frei nach Wilhelm Busch).
Link zur Reise: http://www.travel-and-personality.de/Moldawien/erlebnisreisen/eine-reise-ins-unbekannte-europa/MD-1
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