Albanien war immer ein weisser Fleck
auf der Landkarte. Mehrfach begegnen Menschen diesem Land mit
Vorurteilen, auch wenn sie Albanien gar nicht kennen. Wer glaubt
schon das man dort auf unvoreingenommene Menschen trifft in ihrer
unendlichen Gastfreundschaft nicht aus Reichtum an Geld in ihren
Taschen, sondern durch das Gold in ihren Adern. Von der Natur brauche
ich gar nicht erst zu schreiben. Sie fließt genauso in die
unbekannte Schönheit wie alle Menschen die hier wohnen.
In Tirana beginnt unsere Reise. Schnell
wird klar, dass wir uns überheblich geirrt haben in unseren
Vorstellungen. Dieses ehemals abgeschottete Land präsentiert sich
mit einer wohlhabenden Atmosphäre. Überall erstrahlen Geschäfte,
spazieren elegant gekleidete Bewohner der Stadt umher, begrüßen uns
mit „Mire se vini“, was Herzlich Willkommen heisst.
Selbst wenn wir nur diese drei Worte
auf unserer Reise wiedergeben können verzaubern wir die Gesichter
dieser Leute. Niemand rechnet mit nur einem Wort ihrer Sprache. Warum
auch?
Wenn man sich vorstellt das Albanien
ein Land ist welches sich immer noch findet, die Armut allgegenwärtig
ist und der Albaner oftmals einen schlechten Ruf hat ist es kein
Wunder, dass hier niemand etwas erwartet. Bei allen angeprangerten
Illegalitäten versuchen wir diese Vorurteile endlich abzulegen.
Tirana bringt Schwung in die graue Geschichte.
Mit jedem Schritt durch die heute
modernisierte Stadt begegnen die Menschen uns mit einem Lächeln. Es
erscheint am ersten Tag schon unfair zu denken das jeder hier ein
Krimineller ist, denn die Menschen nehmen uns mit ihrem ganzen Herzen
auf.
Zwischen Bunkern und Prada, zwischen
Tradition und Moderne kommen wir in eine Welt welche gar nicht viel
anders ist als unsere.
Wir verlassen die Hauptstadt in
Richtung Süden nach Berat. Die alten Burgmauern sind Beweise der
untermalten Schutzoffensive, sowie die Bunker überall im Land
verteilt. Der damalige Diktator Enver Hoxha hatte nicht gerade wenig
Feinde, doch wir lassen uns von der Altertümlichkeit dieses Ortes
verzaubern, kaufen geschwind etwas auf dem lokalen Markt und erleben
den albanischen Alltag zwischen Zigarette und Kartenspiel. Hier
herrscht Frieden.
Wir wollen jetzt die Natur erleben. Im
Tomorrgebirge starten wir unsere Wanderung. Kaum zu glauben das dies
hier Albanien seien soll. Das Gebirge kann heute begangen werden,
damals in der Diktatur war es verboten. „Vater Tomorr“ ist ein
heiliger Berg. Die Aussicht lässt uns alle Vorurteile vergessen.
In Polican werden wir aber gleich
wieder zurückgeworfen in die kommunistische Zeit. Die alten
Nachahmungen der Kalaschnikow ala Albanien mit den dafür entworfenen
Kavernen lassen uns erstarren. Albanien lebte einst extrem. Diesen
Orten hätten wir nie besucht. Früher war es nur zwei Mal am Tag
erlaubt Wasser zu holen, Telefonate mussten angemeldet werden, die
Angst vor dem Straflager war groß. Nicht selten standen viele
Albaner vor leeren Geschäften und fragten nach Lebensmitteln. Diese
organisierte Freiheit hatte ihren Preis. Heute wollen die Albaner ihr
Land nach Europa führen.
All diese Gedanken verschwinden jedoch
wieder, sobald wir die Osumi-Schlucht erreichen. Nie erlebten wir ein
Land so farbig wie diese Schlucht mit klarem Wasser. Der Bogove
Wasserfall komplettiert das Bild. Es ist ein merkwürdiges Gefühl zu
wissen, dass wir heute all dies bestaunen dürfen. Darum kitzelt das
Abenteuergefühl in uns immer mehr heraus. Wir wollen immer weiter
und mehr sehen. Albanien macht süchtig.
Gjirokastra und Butrint. Wir haben
keine Ahnung was dies für Namen sind. Um so mehr erstaunt uns das
unverwechselbare Spiel zwischen Bergen, dem Grün der Balkankiefer
und den Ausgrabungsstätten. Historisch gibt Albanien alles was das
Herz begehrt. Immer mit der Insel Korfu im Blick zieht es uns in den
Badeort Dhermi an die albanische Riviera. 300Km Mittelmeerküste hat
Albanien zu bieten. Zeit genug um einfach mal die Seele baumeln zu
lassen. Im Norden des Landes erheben sich die Berge mit ihren
traditionellen Völkern, welche immer noch nach dem Kanun leben. Doch
die Gedanken an Blutrache sind hier im Süden ganz fern. Eher
interessiert uns der Liogara Nationalpark. Zwischen Schwarzkiefern
und Eschen wandern wir entlang blumiger Wiesen, unterhalten uns über
die Existenz der Wölfe in den Wäldern und springen anschließend in
das kühle Nass des Meeres. Albanien hat uns gefangen. Dieses Land
beraubt uns nun unserer negativen Gedanken, wir sind verliebt.
Auf dem Weg zurück wollen wir nochmals
die Antike erleben und halten in Apollonia. Bei einem Kaffee in
Durres sprechen wir nochmal über unsere Eindrücke der letzten Tage.
Die Frage nach dem „Warum“ wird immer nebensächlicher. Wir
lernen mit jedem Schritt in diesem Land. Das Potenzial für Zukunft
wird hier groß geschrieben. Die Menschen blicken nach vorne und
nicht zurück. Es ist wie an einer Klippe. Wenn man einen Schritt
nach vorne macht kann dies Fortschritt sein. Wenn man sich von der
Klippe wegdreht und einen Schritt nach vorne macht, kann dies
ebenfalls Fortschritt sein. Ich denke die Albaner wissen selber am
besten, welchen Weg sie wählen werden. Und dabei haben sie schon
gewählt. Diese Wahl sollte uns vielleicht mal die Augen öffnen.
Am Ende sitzen wir noch in einem netten
Lokal in Tirana und lassen die Reise ausklingen. Bevor wir morgen in
das Flugzeug steigen stellen wir fest:
Ja es ist ein vergessenes Land, ja es
ist ein letztes Geheimnis des Balkans und ja, wir alle sollten uns
dieses Land ansehen!
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