Den Sommer in Schottland verbringen...
Für die einen ein Land des immer
andauernden Regens, für die anderen schon fast der Rand der Welt.
Vielerorts wenig bekannt und im Schatten des imperialen Englands ist
das kleine Land im Norden der britischen Inseln der Kristall auf der
Spitze des Berges, für die die es kennen.
Mit dem Flugzeug nach Edinburgh ist es
eine kurze Reise im dichtbesiedelten Europa, doch niemand ahnt wie
weit sich die Landschaft erstreckt in der wir unterwegs seien werden,
teilweise ohne anderen Menschen zu begegnen.
In Edinburgh übernachten wir am Rande
des Firth of Forth in einem Bed and Breakfast, verbringen ein wenig
freie Zeit in der für uns noch unbekannten Hauptstadt des Landes. Am
nächsten Tag durchfahren wir die lebendige Stadt auf einer
Rundfahrt, spazieren um den Hausberg, wandeln zwischen Alt- und
Neustadt, doch immer wieder schweifen unsere Gedanken in Richtung
Norden, in Richtung der Highlands.
Am Nachmittag ist es dann soweit, wir
laden das Auto voll und begeben uns ins Unbekannte. Unser Weg zieht
sich gemächlich zur Hauptstadt der Highlands, Inverness. Unterwegs
lauschen wir den Ausführungen des Reiseleiters, stoppen mal hier,
mal dort und tasten uns langsam an die Materie "Schottland"
heran. Immer weiter "nach Oben" geht es und langsam beginnt
das Land bergig zu werden. Die Vegetation baut ab, jetzt kommt der
nackte Fels überdeckt von unzählbarer Heide. Doch auch wer meint,
dass Schottland keine Bäume hat, der liegt falsch. Inverness wird
nicht unser Ziel sein. Nach einer Stippvisite schlagen wir unser
Lager am Loch Ness auf. Das Leben in der Natur kann also beginnen.
Man braucht keine Hand vor den Mund zu
halten weil jeder weiss, dass das Leben in der schottischen Natur in
den Sommermonaten ungebetene Gäste mitbringt – Mücken! Mit Netzen
und Sprays, Lagerfeuer und der Hoffnung auf Wind plagen sie uns die
Nacht hindurch aber warum soll es uns kümmern? Wir sind hier und
wollen mehr!
Unsere Reise soll gute 14 Tage dauern.
Vor uns liegen unzählige Kilometer (Meilen ;-)), viele Orte die wir
besuchen, Wanderungen so abseits jeglicher Zivilisation und doch
steckt in jedem Schritt den wir gehen so viel Geschichte, dass man
ganze Tagebücher nur damit füllen könnte. Nach unserem gemeinsamen
Abendessen geht es direkt ins Zelt. Unsere erste Nacht draußen in
Schottland am Rande des Loch Ness. Legendär für das Monster welches
wir nicht fürchten und doch übertönt mit dem Ruf der Eulen aus dem
Dickicht.
Der nächste Tag.
Früh geht es los, denn wir haben viel
vor.
Wir wollen tiefer in das Land
eintauchen und fahren auf die Insel Skye. Zuvor besuchen wir das
legendäre Eilean Donan Castle. Dort entdecken wir auch die ersten
"wahren"" Schotten gekleidet im Kilt, ausgestattet mit
Dudelsack. Die Umgebung der Burganlage ist einzigartig, wie eine
Filmkulisse. Wir fühlen uns wie Highlander.
Versorgt mit allem was wir benötigen
verlassen wir also das schottische Festland und erreichen Skye. Die
Wolkeninsel. Die Inneren Hebriden. Wenn der morgen auch etwas trüb
war, so scheint nun die Sonne und eine leichte Brise weht. Mit klarer
Sicht auf die Landschaft geschaffen aus Erdrutschen, übersäht vom
Grün der Wiesen, den Schafen und rotem Fingerhut durchfahren wir
eine Landschaft die uns verzaubert. Wir fühlen was uns Antreibt. Es
ist das Verlangen nach Natur, nach Schönheit, nach Einsamkeit und
genau das finden wir hier. In Staffin schlagen wir unser Lager auf,
kochen gemeinsam und unterhalten uns über die Wanderung am nächsten
Tag. Wir wollen zum Lock Coruisk.
Die Cullins Berge in Rot und Schwarz
erheben sich majestätisch vor uns, als wir am nächsten Morgen zum
Ausgangspunkt unserer Wanderung aufbrechen. Vor uns liegen
unvergessliche Schritte in eine verwunschene Welt. Entspannt
entfliehen wir dem Parkplatz, verlassen nun den Zugang zu anderen
Menschen und der Gesellschaft und lassen uns verzaubern von dem
bergigen Panorama. Die Sonne brennt mit jeder Meile die wir wandern,
stetig geht es bergauf durch kleine Flussläufe und Geröll, durch
Wiesen und Trampelpfade bis wir auf einer Annhöhe die Sicht auf den
Loch Coruisk bekommen. Ob verschwitzt oder nicht, bei der Aussicht
ringt jeder mit dem Atem.
Vor uns liegt die gewaltige Landmasse
der Cullins mit Blick auf den Ozean. Wir legen uns auf die Hänge ins
Gras und lassen die Zeit verstreichen. Weit draußen im Meer liegt
die Insel Soay, unerreichbar für uns aber in Gedanken fragen wir
uns, was es dort wohl gibt. Der Weg zurück ist immer schneller
geschafft als der Aufbruch und ehe wir uns versehen sitzen wir am
Abend im Pub und trinken ein Bier auf unsere Leistung. Müde aber
Glücklich fallen wir in tiefen Schlaf, weit weg vom Summen der
Mücken.
Skye macht Hunger auf mehr. Am nächsten
Tag umrunden wir die Insel, genießen die Aussichten, saugen die
Sonnenstrahlen auf. Da soll noch einmal jemanden sagen, dass es in
Schottland so viel regnet. Wir haben das Glück auf unserer Seite.
Nach einem weiteren sonnigen Tag auf Skye bereiten wir uns auf unsere
Weiterfahrt vor. Wir packen und studieren die Landkarte. Umsäumt von
Schafen und Rindern, zwischen "Mäh" und "Muh"
erkunden wir die Wanderrouten. Unser Ziel bevor wir uns von Skye
verabschieden: Die verlassenen Dörfer am Rande von Broadford. Wir
fahren vom Camp in der Früh los und parken unser Auto an einer alten
Kirchenruine. Wieder scheint die Sonne.
Die Wanderung ist entspannter als die
zum Loch Coruisk. Durch Wiesen und Gräser geht es hinunter zur Bucht
welche von verlassenen Häusern bestückt ist. Wir setzen uns ins
Gras und stellen uns mit den Geschichten des Reiseleiters das harte
Leben der Hochlandbewohner vor. Es ist kaum vorzustellen wie sie
damals hier lebten. Noch immer laufen Rinderherden durch die Ruinen
des Dorfes, stehen auf unserem Weg immer wieder verlassene Häuser
bis wir über Steinscherben entlang der grünen Steilklippen unseren
Weg bahnen. Der Wind weht heute stärker als die Tage zuvor aber
betäubt von der Schönheit dieser Landschaft würden wir sogar Regen
und Sturm akzeptieren.
Und dabei wussten wir nicht, wie sehr
wir dies noch akzeptieren müssen.
Die erste Woche in Schottland ist
vorrüber. Wir campen an den Silberstränden von Arisaig. Die Bilder
in unseren Köpfen lassen sich schwer verschieben. Wir haben nach
einer Woche bereits kaum noch Platz in unseren Gedanken für neue
Eindrücke. Wir sind vollkommen zufrieden und sind an einem Punkt wo
niemand einverstanden wäre, wenn die Reise nach einer Woche schon
vorrüber wäre. Bei einem leckeren Abendessen sitzen wir zusammen
und stellen fest, dass es wohl keine schönere Form des gemeinsamen
Reisens geben kann. Wir können uns voll entfalten, erleben das Land
intensiv in dem wir es begehen, erfahren und bestaunen. Selbst
Spontanität ist kein Fremdwort. Wir sind aktiv, handeln alternativ,
leben ganz nah mit dem Land und mit allen Facetten die uns
präsentiert werden.
Wer in Schottland unterwegs ist muss
natürlich auch ein wenig das schottische Leben ausprobieren. Es
besteht kein Zwang sich einen Kilt anzuziehen, niemand muss unbedingt
Haggis (Schafsinnerein in einem Schafsmagen eingenäht) probieren und
auch wenn man mal den schottischen Whiskey probieren, dem Dudelsack
lauschen, den Wanderwegen vieler Helden folgen sollte, so gehört der
schottische Regen einfach dazu.
Unweit unseres Camps zwischen dem Loch
Nevis und dem Loch Morar wandern wir an diesem Tag nach Swordland.
Wir wollen einfach gehen und so weit kommen wie wir uns fühlen, ohne
Ziel. Wir wollen uns einfach durch die Landschaft tragen lassen, in
diese Weite hineinlaufen. Doch um so stärker es regnet, desto
durchtränkter ist unsere Kleidung welche alle Tropfen durch die
meterhohen Farne am Rande des mächtigen Loch Morar aufsaugt. Die
Sicht versperrt, der Regen anhaltend, klitschnass geben wir nicht auf
aber wir lassen Schottland gewinnen. Hier gilt es das Land mit seinen
Ecken und Kanten zu erleben und wer sich draußen aufhält, der lebt
mit dem Wetter.
Natürlich schwankt unsere Motivation,
doch wir sind in der Hoffnung auf besseres Wetter.
Tage vergehen und wir ziehen weiter.
Mit unserem Gepäck, mit unserem Auto, mit unseren Vorstellungen. Von
Arisaig geht es mit Boxenstopp in Fort William in das Tal von
Glencoe. Schottland scheint uns nun ein anderes Gesicht zu zeigen.
Wir nehmen dies hin, denn hier oben ist es eben wie es ist. In
Glencoe bauen wir in dichtem Nebel unser Camp auf. Die ersten
Mitreisenden äussern, dass sie nicht nach Hause wollen, auch wenn
wir noch ein paar Tage haben.
Wir sind in unserem Element. Nebelig
mit der Sonne, welche sich durch die dicken Bänke kämpft wandern
wir in das "Lost Valley" von Glencoe. Mystisch, fast
geisterhaft tasten wir uns durch die Felsschluchten bis in das Tal,
durchqueren einen Fluss, unterstützt vom Regen, der wieder bei uns
ist und uns ins Gesicht peitscht. Doch wir alle sind uns einig: Wir
sind glücklich. Wer will schon in einem Büro sitzen, wenn er das
hier haben kann?
Der Platzward im Camp empfängt uns
fröhlich und verspricht, dass eine Wetterbesserung kurz bevor steht.
Wir bleiben guter Dinge.
Wir erzählen dass wir auf die Insel
Mull wollen. Der Platzward beruhigt uns und sagt: "Wenn ihr den
Sommer wiederfinden wollt, dann seid ihr dort genau richtig. Das
strengere Wetter gäbe es wenn dann nur in Glencoe, unberechenbar
eben."
Von der Stadt Oban aus, dem Tor zu den
Herbriden, bringt uns die Fähre nach Mull. Wieder sind wir sprachlos
als wir in Fionnophort ankommen und unser Camp direkt am Meer
aufschlagen mit Blick auf die helige Insel Iona. Die letzten
unvergesslichen Tage stehen uns bevor. Schottland wird nun religiös.
Wir treffen auf basaltische Säulen bei Staffa mit Seevögeln und
Geschichten über jenen Riesen der hier unterwegs ist. Wir treffen
auf dieHeiligkeit im Kloster von Iona, sehen wie abgeschieden und
doch einfach man leben kann und selbst die Schotten sind hier
unterwegs und nennen die Ecke ihres Landes "Unsere Karibik des
Nordens."
Bevor wir uns in tiefem Schweigen
verlieren und wohl jeder inzwischen nicht mehr nach Hause will rückt
der Abschied nahe. Zurück geht es nach Oban. Dort probieren wir
Whisky, essen Meeresfrüchte am Hafen, gehen Abends in die Pubs
während die Sonne den Himmel errötet. Wir fühlen das dies hier
unser Zuhause ist.
Doch wir wissen auch wenn wir wieder
aufwachen, fahren wir zurück nach Edinburgh.
Leicht grimmig und geprägt von der
Reizüberflutung der letzten Tage rollen wir entlang des Loch Lomond
nach Stirling. Von Stirling ist es nicht mehr weit nach Edinburgh.
Heute werden wir wieder in einem Hotel schlafen. Vorbei ist das Leben
in der Natur. So unvergesslich diese Reise bleiben wird so wissen
wir, dass wir schon bald wieder hinaus wollen. Bei einem Kaffee in
Stirling unterhalten wir uns über die nächsten Ziele und dabei geht
es nicht nur um Schottland. Egal wo es uns hinführt, Schottland ist
nur ein Beispiel dafür, wie intensiv man in einem Land reisen kann.
Abends in Edinburgh. Die Hotelzimmer
sind bezogen, wir gehen nochmal in die nächtliche Atmosphäre der
Hauptstadt. Wir wollen ein letztes Mal zusammensitzen wie im Zelt die
Tage zuvor, noch einmal wollen wir das Erlebte uns wieder vor Augen
führen, die Highlights der Reise auf den Tisch bringen. Und dabei
war jeder Tag ein Höhepunkt für sich.
Das letzte gemeinsame Abendessen, das
letzte Bier der Reise, der letzte Trinksruch: "Ein Hoch auf
Schottland!"
Bilder der Reise:
Für weitere Informationen: www.travel-and-personality.de